Fette beeinflussen Geschwindigkeit des Alterns

Bestimmte Fettstoffe hängen mit der Geschwindigkeit, wie wir altern, zusammen. Forschende am DZNE nutzten dafür eine neue High-Tech-Untersuchungsmethode – und Proben aus der Rheinland Studie. 

Bonn, 6. Oktober, 2023. Wie alt Menschen werden, hängt nicht zuletzt von Lipiden ab: Diese fettartigen Bestandteile von Zellen können Signale zwischen Zellen übertragen – mit weitreichenden Folgen. Welche Lipide die biologische Alterung beschleunigen und welche Lipide sie verlangsamen, fanden jüngst Forschende des DZNE und der Universität Bonn in einer großangelegten Untersuchung heraus. Ihre Ergebnisse publizierten sie in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Aging Cell“. „Weltweit steigt die Lebenserwartung immer weiter“, sagt Dr. Dan Liu, die Erstautorin der Fachpublikation. „Unsere Untersuchung kann ein erster Schritt dazu sein, die Alterungsprozesse gesünder zu gestalten.“ Für ihre Forschung griffen die Bonner Fachleute auf Blutproben von mehr als 4.000 Teilnehmenden der Rheinland Studie zurück. „Unsere Studie, die zu den innovativsten Bevölkerungsstudien der Welt gehört, zeigt damit wieder einmal, wie wertvoll ihre Daten für die Gesundheitsforschung sind“, sagt Prof. Monique Breteler, die am DZNE die Rheinland Studie leitet.

 

 

Fettzellen. Quelle: selvanegra -stock.adobe.com

Lipide sind ein Oberbegriff für zahlreiche fettartige Stoffe. Eine der Funktionen der Lipide: Sie spielen bei der Signalübertragung zwischen den Zellen eine wichtige Rolle – und damit eben auch bei den Alterungsprozessen. In ihrer Studie haben Dan Liu und ihre Kolleginnen und Kollegen nun zum ersten Mal mehr als 1.000 verschiedene Fettmoleküle aus insgesamt 14 verschiedenen Lipid-Klassen untersucht und detailliert aufgeschlüsselt, welche der zahlreichen Lipide sich auf das Altern auswirken. Mit diesem Wissen können jetzt neue Ansätze entwickelt werden, um Alterungsprozesse besser zu verstehen und vielleicht sogar zu verlangsamen.

Das Alter schlägt bei jedem anders zu

Zu Beginn der Studie stand eine interessante Beobachtung: „Es ist schon lange bekannt, dass Menschen verschieden stark altern. Zwei Personen können das gleiche Lebensalter haben, aber ihr Alterszustand – das sogenannte biologische Alter – kann unterschiedlich sein“, sagt die Epidemiologin Dan Liu. Während manche auch in hohem Alter noch beinahe jugendlich wirken, gesund sind und sich ohne Einschränkungen bewegen können, lassen bei anderen die körperlichen, aber auch geistigen Fähigkeiten zunehmend nach. Hinweise darauf, dass Lipide dabei eine Rolle spielen, gab es schon länger. Die besondere Herausforderung für die Wissenschaft liegt unter anderem in der Fülle der unterschiedlichen Lipide, die alle einzeln betrachtet werden müssen. Das Team von Dan Liu nutzte dazu Blutproben von Teilnehmenden der Rheinland Studie – und eine neue Methode, bei der Hightech-Instrumente jede einzelne dieser Blutproben mit bislang noch nie dagewesener Präzision durchleuchten. Viele hunderte Verbindungen wurden dabei untersucht – und das bei allen 4.181 Probanden. „Wir mussten uns also für die Auswertung durch gewaltige Datensätze arbeiten, allein das war schon eine der Hürden in unserer Arbeit“, erklärt Liu.

Um das biologische Alter der Probanden zu ermitteln, nutzte das Forschungsteam eine sogenannte epigenetische Altersschätzung; die beiden etabliertesten Methoden dazu heißen AgeAccelPheno and AgeAccelGrim. Das biologische Alter wird dabei mit einer Analyse der DNA-Methylierung bestimmt. Hierbei handelt sich um Veränderungen an der DNA, die zwar die Erbinformation nicht verändert, die sich jedoch auf die Gen-Expression auswirkt – also darauf, ob Gene abgelesen werden oder nicht. Durch Umwelteinflüsse – sei es persönliches Verhalten wie etwa Ernährung und Lebensstil, sei es die Reaktion beispielsweise auf Schadstoffeinwirkungen – wird die DNA-Methylierung modifiziert. Weil die DNA unmittelbare Auswirkungen auf körperliche Prozesse hat, lassen sich anhand der Methylierung Rückschlüsse auf das biologische Alter ziehen.

Die Bonner Forschenden schauten nun nach einem Zusammenhang zwischen dem biologischen Alter und den Lipiden. Ihr eindeutiges Ergebnis: Bei jenen Probandinnen und Probanden mit hohem biologischen Alter fanden sie im Blut besonders viele von bestimmten Lipiden. Andere Lipide wiederum kamen auffällig häufig bei jenen Probanden vor, die langsamer gealtert waren.

Die Rheinland Studie als wertvolle Datenquelle

„Wir waren die ersten, die eine so tiefgehende Analyse der Blutproben mit einem sehr breiten Teilnehmerfeld kombiniert haben“, heißt es bei den Forschenden vom DZNE. Das ging nur dank der großen Datengrundlage der Rheinland Studie: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler griffen auf eingelagerte Blutproben von Teilnehmenden der Studie zurück. „Das Design der Rheinland Studie ist gezielt darauf angelegt, Bioproben und Daten so umfassend und technologisch fortgeschritten wie möglich zu sammeln, damit sie für zahlreiche Untersuchungen nutzbar sind. Das macht sie, zusammen mit ihrer schieren Breite von aktuell mehr als 10.000 Teilnehmern weltweit einzigartig“, sagt Monique Breteler, die Leiterin der Rheinland Studie.

Ein Zusammenhang fiel den Forschenden besonders auf: „Die Lipid-Profile, die wir als ausschlaggebend für schnelleres Altern herausgefunden haben, decken sich mit den Lipid-Profilen, die auch bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer zu finden sind“, sagt Dan Liu. Die speziellen Lipide, die also mit einem rascheren Alterungsprozess zusammenhängen, haben offenbar auch einen Einfluss auf die Neurodegeneration.

Laut Dan Liu und ihren Kollegen wäre ein nächster Schritt, in Modellorganismen zu erproben, wie die schnelleren Alterungsprozesse konkret ablaufen. Wenn man die Belastung mit bestimmten Lipiden verändert – lässt sich damit die biologische Alterung beschleunigen oder auch verlangsamen? Und welche Rolle spielt dabei die Ernährung? Eine solche Studie könnte wertvolle Informationen liefern für Strategien, wie jeder einzelne seine Gesundheit fördern kann und möglicherweise auch zur Entwicklung neuer Medikamente, die gesundes Altern unterstützen, sind die Fachleute des DZNE überzeugt.

Über das DZNE

Das DZNE ist ein von Bund und Ländern gefördertes Forschungsinstitut, das bundesweit zehn Standorte umfasst. Es widmet sich Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen. Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankungen, die eine enorme Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das Gesundheitssystem bedeuten. Ziel des DZNE ist es, neuartige Strategien der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung zu entwickeln und in die Praxis zu überführen. Dafür kooperiert das DZNE mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen im In- und Ausland. Das Institut ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und zählt zu den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.

Originalpublikation

The lipidomic correlates of epigenetic aging across the adult lifespan: A population-based study. 

Dan Liu et al.
Aging Cell (2023) 
DOI: 10.1111/acel.13934

Das Original der Pressemitteilung des DZNE finden Sie hier.

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