Hintergrundwissen: das Biomaterial

Die Urin- und Stuhlprobe

Nach dem Abschluss der Untersuchungsrunde stellt sich vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Rheinland Studie die Frage: „Was passiert jetzt mit meinen Bioproben, also mit meinem Blut, meinem Urin, dem Stuhl und den Haaren?“ Um diese Fragen zu beantworten, erklären wir in der Reihe „Hintergrundwissen: das Biomaterial“ die Verarbeitung der verschiedenen Bioproben. In diesem Artikel im Fokus: die Urin- und Stuhlprobe. Wie in der Rheinland Studie Blutproben verarbeitet werden, können Sie im ersten Artikel der Reihe nachlesen.

In der Rheinland Studie untersuchen wir, wie sich unsere genetische Veranlagung, unsere Lebensbedingungen und unser Lebensstil auf unsere Gesundheit auswirken. Um dies zu ermöglichen, untersuchen und analysieren wir unter anderem die Urin- und Stuhlproben der Teilnehmenden.

Die Urinprobe

Im Untersuchungszentrum der Rheinland Studie werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer um eine Urinprobe gebeten. Im ersten Schritt wird die 30-40 ml Urinprobe pseudonymisiert, indem sie einen neuen Barcode erhält. Dann wird ein kleiner Teil der Probe direkt für eine erste Analyse genutzt (Clinitek), in welcher verschiedene Parameter, wie z.B. Glukose oder Eiweiß, ermittelt werden. Wenn beispielsweise ein zu hohes Level an Glukose im Urin vorliegt, könnte dies auf eine Veranlagung für Diabetes hinweisen. Bei Diabetes befindet sich so viel Glukose im Blut, dass ein Teil in den Urin gelangt. Der andere Teil der Urinprobe – der Großteil – wird für spätere Analysen verwendet und hierfür aufbereitet (zentrifugiert). Bei der Zentrifugation werden z.B. abgestorbene Zellen entfernt, damit zukünftige Analysen des Urins mit Proben ohne Zellrückstände durchgeführt werden können. Nach der Aufbereitung werden die Proben für die Lagerung in Röhrchen (Monovetten) aufgeteilt.

Lagerung der Bioproben in kodierten Röhrchen mit Sicherheitsschraubdeckel (Quelle: DZNE/Rudhozer)
Lagerung der Bioproben in kodierten Röhrchen mit Sicherheitsschraubdeckel (Quelle: DZNE/Rudhozer)

Die Stuhlprobe

Außerdem wird jede:r Teilnehmende gebeten, eine Stuhlprobe in einem zuvor ausgehändigten Behälter in das Zentrum zu bringen. Denn das menschliche Verdauungssystem enthält - wie der gesamte menschliche Organismus – Mikroorganismen (siehe Bild rechts), die eine wichtige Rolle im menschlichen Körper spielen. Ohne Mikroorganismen kann kein Mensch existieren: Darmbakterien bauen z.B. Nährstoffe ab, die wir selbst nicht abbauen können, versorgen uns mit einer Reihe von Vitaminen oder verhindern, dass sich andere Bakterien ansiedeln, die das Gleichgewicht im Organismus stören. In unserem Verdauungstrakt gibt es hunderte Arten von Mikroorganismen - in unserem Körper befinden sich sogar mehr Mikroorganismen als menschliche Zellen.[1] Eine möglichst große Diversität an Bakterien im Darm ist im Grunde für jede Funktion im menschlichen Körper wichtig. Ein Ungleichgewicht der Mikroorganismen im Verdauungssystem kann eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen.[2]

Die Stuhlproben werden in den Untersuchungszentren entgegengenommen und zur Pseudonymisierung ebenfalls mit einem neuen Barcode versehen. In den Laboren der Untersuchungszentren wird das Gewicht der Stuhlprobe ermittelt und die Probe aliquotiert, also in kleine Portionen aufgeteilt.

Erklärung der Mikrooganismen im menschlichen Körper
(Quelle: Erstellt mit BioRender.com)

Die Lagerung und Analyse der Proben

Sowohl Urin- als auch Stuhlproben werden fachgemäß bei -80°C in den Untersuchungszentren eingefroren und danach zur längeren Lagerung in unsere Gefrierschränke auf den Venusberg gebracht. Während des gesamten Transports werden die Proben ebenfalls auf -80°C gehalten. Zukünftig werden auch diese Proben in der neu gebauten Biorepository-Einrichtung in Bonn-Dransdorf bei mindestens -150°C gelagert. Detaillierte Informationen über diese hochmoderne Einrichtung finden Sie ebenfalls in unserem Newsletter (Dezember 2023). Zur Beantwortung konkreter Forschungsfragen werden die Proben in großen Chargen analysiert – entweder intern oder mit Hilfe externer Labore. Dabei wird eine Vielzahl an Molekülen, Proteinen und Mikroorganismen bestimmt.

Im Rahmen der Langzeitstudie werden Daten der Teilnehmenden – inklusive des Biomaterials – in regelmäßigen Abständen gesammelt und so ihre Gesundheit über mehrere Jahrzehnte hinweg beobachtet. Da ein großer Teil der Probe konserviert wird, kann das Material in der Zukunft zugänglich gemacht werden und ermöglicht die Untersuchung von Faktoren, die bei der Entwicklung von neurodegenerativen und altersbedingten Krankheiten eine Rolle spielen können.

 

 

Labortechniker bei der Verarbeitung von Bioproben (Quelle: DZNE/Rudholzer)
Labortechniker bei der Verarbeitung von Bioproben (Quelle: DZNE/Rudholzer)

[1] Eberl, G. A new vision of immunity: homeostasis of the superorganism. Mucosal Immunology 3, 450–460 (2010). DOI: 10.1038/mi.2010.20

[2] Manor, O., Dai, C.L., Kornilov, S.A. et al. Health and disease markers correlate with gut microbiome composition across thousands of people. Nature Communications 11, 5206 (2020). DOI:10.1038/s41467-020-18871-1

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